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Vergaberecht, aktuelle Urteile

Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb: Zuschlag trotz fehlerhafter Bieterauswahl wirksam!

Das OLG Bayern befasst sich mit der Frage, wann ein Antrag auf Feststellung der Unwirksamkeit eines Vertrages nach § 135 Abs. 1 Nr. 2 GWB begründet ist.

Was ist passiert?

Der Antragsgegner führte die Beschaffung von Antigen-Schnelltests zur Selbsttestung in einem Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb nach § 14 Abs. 4 Nr. 3 VgV (Dringlichkeitsvergabe) durch und forderte neben der Beigeladenen noch zwei weitere Unternehmen zur Abgabe eines Angebots auf, nicht aber den Antragsteller. Die Laufzeit war für drei Monate vorgesehen. Der Antragsgegner erteilte der Beigeladenen den Zuschlag. Die Tatbestandsvoraussetzungen für die Dringlichkeitsvergabe lagen tatsächlich vor.

Nach Veröffentlichung der Vergabeentscheidung im Amtsblatt der Europäischen Union reichte der Antragsteller einen Nachprüfungsantrag ein. Durch Nichtberücksichtigung bei der Bieterauswahl sei er in seinen Rechten verletzt worden, da die Verfahrenswahl genutzt worden sei, um den Bieter von einer Beteiligung am Verfahren auszuschließen.

Was wurde entschieden?

Die VK stellte zunächst fest, dass der Vertrag unwirksam sei. Das BayObLG sah den Nachprüfungsantrag dagegen nur als teilweise begründet an:
Der Nachprüfungsantrag sei unbegründet, soweit er darauf gerichtet ist, die Unwirksamkeit des Vertrags nach § 135 Abs. 1 Nr. 2 GWB festzustellen. Der Beschluss der Vergabekammer sei insoweit aufzuheben, da es aufgrund der äußersten Dringlichkeit tatsächlich keiner europaweiten Ausschreibung bedurfte. Mit der Aufforderung von drei Bietern zur Angebotsabgabe habe die Vergabestelle einen für eine Dringlichkeitsvergabe ausreichenden Wettbewerb durchgeführt. Die Begrenzung auf drei Bieter sei vergaberechtlich nicht zu beanstanden. Allerdings sei die Auswahl der am Vergabeverfahren beteiligten drei Bieter fehlerhaft. Denn bei der Auswahl der Bieter dürfen keine sachwidrigen Erwägungen in die Entscheidung einfließen und die zu berücksichtigenden Gesichtspunkte müssen angemessen und vertretbar gewichtet werden. Nachdem die Vergabestelle dies überhaupt nicht dokumentiert hatte, sah das Gericht diese Voraussetzungen nicht als erfüllt an. Die Nichtberücksichtigung des Antragstellers war somit nicht rechtmäßig. Dies führe aber, so das Gericht, nicht zur Unwirksamkeit des Vertrags sondern nur zu einer Feststellung der Verletzung der Rechte des Antragstellers.

Praxistipp

Die Entscheidung zeigt, dass auch im Falle eines Verhandlungsverfahrens aus Gründen der Eilbedürftigkeit ein Wettbewerb unter mehreren Unternehmen durchzuführen ist. Die Entscheidung, welche Unternehmen in den Wettbewerb einbezogen werden, ist durch die Vergabestelle inhaltlich zu begründen und zu dokumentieren.

Die Fälle, in denen Bieter die Feststellung der Unwirksamkeit des Vertrags verlangen können, sind ohnehin sehr begrenzt. Sofern der öffentliche Auftraggeber auf eine Auftragsbekanntmachung zu Recht verzichtet und einen ausreichenden „Wettbewerb light“ durchführt, soll nach dem BayOLG eine Feststellung der Unwirksamkeit des Vertrags ebenfalls ausscheiden. Die Argumentation erscheint keineswegs zwingend. Es bleibt abzuwarten, ob andere Gerichte dieser Entscheidung folgen werden.

Quelle:

Menold Bezler Rechtsanwälte Steuerberater Wirtschaftsprüfer Partnerschaft mbB
Dr. Karsten Kayser, Rechtsanwalt

Autor: Dr. Karsten Kayser

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