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Vergaberecht, aktuelle Urteile

Von der Hol- und Bringschuld

Laut der Vergabekammer Südbayern müssen registrierte Unternehmen bei Änderungen informiert werden.

Im Rahmen des Neubaus eines Seminargebäudes hat ein öffentlicher Auftraggeber die Vergabe der Leistungsphasen zwei bis neun für die Tragwerksplanung in einem Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb europaweit bekannt gemacht. Die Vergabeunterlagen wurden auf einer elektronischen Vergabeplattform zum Herunterladen bereitgestellt. Später änderte die Vergabestelle den Auftragsgegenstand ab, indem nur noch die Leistungsphasen zwei bis sechs vergeben werden sollten. Zudem änderte sie die Bewertungskriterien für die geforderten Referenzen und verlängerte die Teilnahmefrist. Die Änderungsbekanntmachung enthielt keinen Hinweis auf die geänderten Bewertungskriterien.

Ein Tragwerksplaner rügte darauf hin, dass der öffentliche Auftraggeber die interessierten Unternehmen gesondert informieren müsse, wenn er die Vergabeunterlagen ändere. Es genüge nicht, die geänderten Vergabeunterlagen stillschweigend auf der elektronischen Vergabeplattform einzustellen und darauf zu vertrauen, dass sich die Planer selbst über mögliche Änderungen informieren würden. Dies müsse jedenfalls dann gelten, wenn ein Bewerber – wie er – seinen Teilnahmeantrag bereits online hochgeladen hätte. Die Vergabestelle wies die Rüge zurück, weil es sich insoweit um eine „Holschuld“ des Bewerbers handeln würde.

Zum Beschluss

Zu Unrecht, wie die Vergabekammer Südbayern befand. Der öffentliche Auftraggeber war verpflichtet, den Tragwerksplaner über die Änderung der Bewertungskriterien für die Referenzen im Teilnahmewettbewerb gesondert, beispielsweise per E-Mail zu informieren. Zumindest bei einem registrierten Bewerber, der seinen Teilnahmeantrag bereits vor Einstellung der Änderungsmitteilung auf der Vergabeplattform hochgeladen hatte und bei dem deshalb die erhöhte Gefahr besteht, dass er sich nicht erneut auf der Vergabeplattform anmeldet und die Änderungen zur Kenntnis nimmt, kann keine „Holschuld“ hinsichtlich von Änderungen der Vergabeunterlagen unterstellt werden.

Im Übrigen spricht die Begründung zu § 9 Abs. 3 VgV dafür, dass die von der Vergabestelle behauptete „Holschuld“ nur für solche Unternehmen besteht, die es gerade unterlassen haben, sich auf der elektrischen Vergabeplattform zu registrieren. Da nicht registrierte Unternehmen auf Änderungen der Vergabeunterlagen oder Antworten des öffentlichen Auftraggebers auf Bewerber-/Bieterfragen nicht hingewiesen werden können, liegt das Risiko bei ihnen, einen Teilnahmeantrag, eine Interessenbestätigung oder ein Angebot auf der Grundlage veralteter Vergabeunterlagen zu erstellen und daher im weiteren Verlauf vom Verfahren ausgeschlossen oder abgewertet zu werden. Vielmehr bietet eine freiwillige Registrierung der Unternehmen den Vorteil, dass sie automatisch über Änderungen an den Vergabeunterlagen oder über Antworten auf Fragen zum Vergabeverfahren informiert werden müssen, so die Münchner Nachprüfungsbehörde.

Unternehmen, die von der Möglichkeit der freiwilligen Registrierung keinen Gebrauch machen, müssen sich dagegen selbst informieren, ob Vergabeunterlagen zwischenzeitlich geändert wurden oder ob der öffentliche Auftraggeber Fragen zum Vergabeverfahren beantwortet hat. Aus diesen Gründen müssen die auf einer elektronischen Vergabeplattform registrierten Bewerber oder Bieter über Änderungen an den Vergabeunterlagen zumindest dann gesondert, etwa per E-Mail informiert werden, wenn die konkrete Gefahr besteht, dass sie Änderungen, die nur auf der Vergabeplattform eingestellt werden, nicht zur Kenntnis nehmen, weil sie zum Beispiel ihren Teilnahmeantrag bereits hochgeladen haben oder die Änderungsmitteilung irreführend war.

Quelle: Beitrag von Holger Schröder, Fachanwalt für Vergaberecht bei Rödl & Partner in Nürnberg, in der Bayerischen Staatszeitung, Ausgabe 20/2017

Autor: Holger Schröder

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