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Vergaberecht, aktuelle Urteile

Richter untersagen Stückelung von Aufträgen

Haben die Architektenleistungen einen einheitlichen Charakter, sind auch Objekt- und TGA-Planung zusammenzurechnen. So lautet das Urteil des EuGH.

Das Urteil der Luxemburger Richter tangiert insbesondere die Objektplanung sowie Planungsleistungen für die Technische Gebäudeausrüstung (TGA). Diese können künftig nicht mehr einzeln ausgeschrieben, sondern müssen für die Ermittlung des Auftragswerts zusammengerechnet werden.

In dem betreffenden Fall vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) teilte die hessische Gemeinde Niedernhausen die Sanierung ihrer Mehrzweckhalle aus haushaltsrechtlichen Gründen in drei Bauabschnitte. Die begleitenden Architekturdienstleistungen wurden dabei je Bauabschnitt als eigenständiger Auftrag vergeben. Sie wurden aber nicht europaweit ausgeschrieben, da sie jeweils unter dem Schwellenwert lagen.

Ausschreibung der Gemeinde verstößt gegen EU-Vergaberecht

Die EU-Kommission leitete deswegen ein Vertragsverletzungsverfahren ein, das mit einer für die Gemeinde und die Bundesrepublik Deutschland ungünstigen Entscheidung des EuGH (Urteil vom 15. März 2012, Aktenzeichen C – 574/10) endete: Das Vorgehen der Gemeinde verstieß gegen europäisches Vergaberecht; die Architektenleistungen hätten als ein einheitlicher Auftrag betrachtet und europaweit ausgeschrieben werden müssen.

Der EuGH wendet dabei seinen für Bauaufträge entwickelten „funktionellen Auftragsbegriff“ auch auf Dienstleistungsverträge (Architektenverträge) an. Danach sind verschiedene Einzelaufträge in ihrer Gesamtheit zu betrachten, wenn sie einen einheitlichen Charakter aufweisen. Davon geht der EuGH bei den Architekturdienstleistungen für ein einheitliches Gebäude aus. Haushaltsrechtliche Gründe für eine Aufteilung in verschiedene Aufträge ließ er nicht gelten – in solchen Fällen könne nach Losen ausgeschrieben und deren Vergabe unter Finanzierungsvorbehalt gestellt werden.

Werte der Teilaufträge müssen addiert werden

Bemerkenswert ist die Entscheidung aber vor allem hinsichtlich der Schwellenwertberechnung bei freiberuflichen Leistungen, also insbesondere Architektenverträgen. Hierzu lohnt sich zunächst ein kurzer Blick auf die Rechtsgrundlagen in Deutschland.

Nach den Berechnungsvorschriften der deutschen Vergabeverordnung (VgV) gilt: „Soweit eine zu vergebende freiberufliche Leistung […] in mehrere Teilaufträge derselben freiberuflichen Leistung aufgeteilt wird, müssen die Werte der Teilaufträge zur Berechnung des geschätzten Auftragswertes addiert werden.“ Die Berechnungsvorschrift wurde bislang auf Architektenverträge anders angewendet als der Wortlaut vermuten lässt: Insbesondere TGA- und Objektplanung wurden in der deutschen Vergabepraxis als unterschiedliche freiberufliche Leistungen behandelt und beim Schwellenwert getrennt betrachtet. Häufige Folge: Diese Architektenleistungen blieben unter dem Schwellenwert für eine europaweite Ausschreibung.

Diese Auffassung wurde vom deutschen Verordnungsgeber in der Begründung zur VgV ausdrücklich gestützt: „Handelt es sich hingegen um nicht dieselbe freiberufliche Dienstleistungen, wie zum Beispiel Objektplanungs- und TGA-Planungsleistungen, so dürfen die einzelnen Auftragswerte der verschiedenen Planungsverträge jeweils separat betrachtet werden.“

Architektenleistungen müssen einheitlichen Charakter haben

Die in Deutschland vorherrschende Auffassung wird vom EuGH ausdrücklich abgelehnt. Nach Auffassung des EuGH müssen auch Objektplanungs- und TGA-Planungsleistungen bei der Ermittlung des Auftragswerts zusammengefasst werden: „Dass der Gegenstand der Arbeiten in den verschiedenen Abschnitten des Bauvorhabens wechselte und beispielsweise das Tragwerk des Gebäudes, das Dach oder die Beleuchtung betraf, bedeutet nicht, dass sich dadurch der Inhalt und die Natur der Architektenleistungen, die in diesen Abschnitten erbracht wurden, änderten.“

Das Fazit aus dem EuGH-Urteil: Haben die Architektenleistungen einen einheitlichen Charakter, sind auch Objekt- und TGA-Planung zusammenzurechnen.

Autor: Philipp-Christian Scheel, Rechtsanwalt, CMS Hasche Sigle, Stuttgart

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