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Vergaberecht, aktuelle Urteile

Rüge muss gerechtfertigt sein

Wägen Sie vor einer Rüge genau ab, ob diese berechtigt ist. Die Gründe für eine Rüge dürfen nicht auf bloßes Mutmaßen erfolgen, denn sonst droht bei einem Nachprüfungsantrag dessen Abweisung.

Eine Vergabestelle hat die Planung und Montage einer Zugsicherungsanlage als Bauvorhaben im offenen Verfahren europaweit ausgeschrieben. Im Rahmen der Eignung war von den Unternehmen unter anderem ein Nachweis ausreichender Personalkapazitäten gefordert. Ein nicht berücksichtigter Bieter monierte, dass der für den Zuschlag vorgesehene Konkurrent über keine ausreichende Anzahl von Mitarbeitern im Bereich der Montage verfüge und deshalb auszuschließen sei.

Unzulässige Rüge

Der Auftraggeber half der Rüge nicht ab, weshalb der nicht berücksichtigte Unternehmer die Nachprüfung des Vergabeverfahrens beantragte. Die zuständige Vergabekammer Baden-Württemberg hielt die Rüge, dass der Personalstamm des bevorzugten Bieters nicht ausreichend sei, für unzulässig. Nach Ansicht der Vergabekammer handelt es sich um eine ins Blaue hinein aufgestellte Behauptung, die unbeachtlich ist. Denn ein Bieter kann nicht mit pauschalen und unbegründeten Behauptungen Nachprüfungsanträge stellen und erwarten, die Amtsermittlung werde zum Nachweis eines Verstoßes führen.

Indizien aufzeigen

Der antragstellende Bieter hat zumindest Indizien oder tatsächliche Anhaltspunkte aufzuzeigen, die ihn zu dem Schluss bewogen haben, die Vergabestelle habe sich rechtswidrig verhalten, so die Karlsruher Nachprüfungsbehörde. Danach ist ein Nachprüfungsantrag insbesondere dann unzulässig, wenn der Rechtsschutzsuchende das Vorliegen der Eignung und die Eignungsnachweise eines Mitbieters pauschal und ohne Anhaltspunkte in Frage stellt. So ist eine behauptete, umfassende Marktkenntnis ohne tatsächliche Anhaltspunkte als Begründung für eine Rüge allein nicht ausreichend, zumal diese Kenntnis als innere Tatsache des Bieters nicht überprüfbar wäre. Damit könnte jeder denkbare theoretische Vergaberechtsverstoß moniert werden, sodass das Erfordernis der Antragsbefugnis ins Leere laufen würde.

Vorliegend hat nach der Überzeugung der baden-württembergischen Vergabekammer die Antragstellerin nur unter Verweis auf ihre Marktkenntnisse und den Internetauftritt des ausgewählten Unternehmens behauptet, dass dieses nicht über die geforderte Eignung hinsichtlich der Personalkapazitäten verfüge. Die aus allgemein zugänglichen Quellen stammenden Informationen lassen nicht erkennen, auf welche tatsächlichen Anhaltspunkte der Antragsteller seine vermeintliche Kenntnis stützt. Er hat insbesondere keine Indizien aus vergangenen oder aktuell laufenden Projekten des bevorzugten Unternehmers benannt, die seine pauschale Behauptung stützen, so die Karlsruher Nachprüfungsbehörde.

Praxistipp

Wägen Sie vor einer Rüge genau ab, ob diese berechtigt ist. Entscheiden Sie sich für eine Rüge, so benennen Sie den konkreten Sachverhalt, warum Sie diesen beanstanden und nennen Sie ebenfalls die Gründe. Die Rüge muss, wie oben gezeigt, berechtigt sein und darf nicht auf Mutmaßungen beruhen. Verlangen Sie innerhalb der Rüge auch unbedingt eine Abhilfe des gerügten Verstoßes.

Quelle: Bayerische Staatszeitung, Ausgabe 38/2018

Autor: u.a. Holger Schröder, Fachanwalt für Vergaberecht, Kanzlei Rödl & Partner, Nürnberg

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