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Über die Gestaltung von Vertragsklauseln darf der Auftraggeber selbst bestimmen

Ein vermuteter Verstoß gegen AGB-Recht ist erst nach Vertragsschluss zivilrechtlich zu prüfen und zu bewerten.

Bieterfragen sind unter einer gegebenenfalls angemessenen Verlängerung der Angebotsfrist durch die Vergabestelle zu beantworten.

Was ist passiert?

Der AG schrieb Betriebsleistungen für Flüchtlingsunterkünfte aus. Etwaige Mehrvergütungsansprüche sollten ausgeschlossen sein, zugleich aber sollten Anpassungswünsche berücksichtigt werden.

Ein Bieter rügte die Leistungsbeschreibung als nicht erschöpfend, bat um Beantwortung mehrere Fragen und Verlängerung der Angebotsfrist. Der AG wies die Rügen jeweils zurück und beantwortete die gestellten Bieterfragen nicht.

Der betreffende Bieter gab fristgerecht ein Angebot ab und stellte Nachprüfungsantrag.

Was wurde entschieden?

Die Vergabeunterlagen waren widersprüchlich bezüglich der Zulässigkeit von Mehrvergütungsansprüchen im späteren Auftragsverhältnis. Jedoch darf der AG im Rahmen seines umfassenden Leistungsbestimmungsrechts die beabsichtigten vertraglichen Klauseln selbst festzulegen. Im Gegenzug steht es jedem Bieter frei, sein Angebot entsprechend zu kalkulieren oder auf die Abgabe eines Angebotes zu verzichten, wenn er sich den beabsichtigten vertragliche Klauseln nicht zu unterwerfen gedenkt.

Bietern steht ein uneingeschränktes und umfassendes Auskunftsrecht zu. Daher sollte der AG jede Frage beantworten, unabhängig davon, ob der AG die gestellten Fragen für sachdienlich oder relevant hält. Erhält der Bieter durch die Beantwortung seiner Frage neue Informationen, so hat der AG zu prüfen – und ausreichend zu dokumentieren – ob ggf. eine Verlängerung der Angebotsfrist in Betracht kommt.

Praxistipp

Der öffentliche Auftraggeber ist Herr des Vergabeverfahrens. Er bestimmt die zu beschaffende Leistung und entwirft die dafür erforderlichen Verträge. Bietern steht es frei, sich diesen Klauseln zu unterwerfen oder auf Abgabe eines Angebotes zu verzichten.

Auch der Terminplan wird vom Auftraggeber mitbestimmt. Nicht alle Fristen sind sklavisch einzuhalten – der AG hat es in der Hand, beispielsweise die Angebotsfrist zu verlängern. Werden Bieterfragen gestellt, muss sich AG diese auch beantworten. Er muss auch prüfen, ob eine Verlängerung der Angebotsfrist erforderlich ist. Dabei sollte er nicht nur die letztlich getroffene Entscheidung, sondern vor allem seine Überlegungen sorgfältig dokumentieren.

Autor:

Rechtsanwalt Ronny Lohmann ist einer der Partner von Vergabekanzlei abante Rechtsanwälte Kins Lohmann PartG mbB in Leipzig. Seit Jahr 2005 arbeitet er als selbständiger Rechtsanwalt. Seine Tätigkeitsbereiche:

  • Vergaberecht, projektbegleitende Rechtsberatung (Bau/Planung, ITK)
  • Privates und öffentliches Baurecht
  • Grundstücksrecht / Leitungsrechte / Gestattung / Grundbuchbereinigung
  • Recht der Versorgungswirtschaft / technischen Infrastruktur/
  • Breitband- und Telekommunikationsrecht, Vertragsrecht.  

Weitere Informationen


Datum: 31.03.2020
Gericht: VK Berlin
Aktenzeichen: VK B 1-08/20
Typ: Urteil
Wissen

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