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Vergaberecht, aktuelle Urteile

Verpflichtung des Auftraggebers zur unmissverständlichen Fragenbeantwortung

Der öffentliche Auftraggeber ist verpflichtet, allen Bietern unmissverständliche Antworten auf Bieterfragen zu geben.

Insbesondere darf der Auftraggeber durch die Beantwortung der Bieterfrage keine fehlerhafte Einschätzung des Bieters verstärken.

Was ist passiert?

Der öffentliche Auftraggeber schrieb die Vergabe von Reinigungsleistungen im offenen Verfahren nach VgV europaweit aus.

Abgefragte wurde im Rahmen der Zuschlagskriterien der „Stundenverrechnungssatz“ des Objektleiters mit „Stundenverrechnungssatz Objektleiter [Euro/h]“. Zudem hieß es in der Ergänzung der Angebotsaufforderung wie folgt:

„Dem Stundenverrechnungssatz kommt im Rahmen der vertieften Prüfung eine besondere Bedeutung zu. Der Auftraggeber ist verpflichtet, die für ihn geltenden rechtlichen Verpflichtungen einzuhalten, insbesondere (…) den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern wenigstens diejenigen Mindestarbeitsbedingungen einschließlich des Mindestentgelts zu gewähren, die nach

– […]

– einem nach dem Tarifvertragsgesetz mit den Wirkungen des Arbeitnehmerentsendegesetzes für allgemein verbindlich erklärten Tarifvertrag für die betreffende Leistung verbindlich vorgegeben werden. Diese Vorgaben sind im Rahmen der Kalkulation des Stundenverrechnungssatzes zu berücksichtigen und zwar mit den Verpflichtungen, die zum Zeitpunkt des Ausführungsbeginns gelten.“

Die spätere Antragstellerin stellte bezüglich des Stundenverrechnungssatzes des Objektleiters folgende Bieterfrage: „Ist hier der Tariflohn oder der Tariflohn inkl. der gesetzlichen und notwendigen Lohnnebenkosten einzutragen?“

Der Antragsgegner beantwortete die Bieterfrage ausschließlich gegenüber der späteren Antragstellerin. Die Antwort lautete: „Unter Fragetitel 1.5 ist der Tariflohn inkl. der gesetzlichen und notwendigen Lohnnebenkosten einzutragen.

Nach der Auswertung informierte der öffentliche Auftraggeber die spätere Antragstellerin, dass diese für den Zuschlag nicht vorgesehen sei. Die Bieterin rügte dies und stellte einen Nachprüfungsantrag.

Die Entscheidung

Nachdem die Vergabekammer dem Nachprüfungsantrag nicht stattgegeben hatte, folgte das OLG Frankfurt am Main dem Vortrag der Antragstellerin, wonach ihr durch die Beantwortung der Bieterfrage die Chance auf den Zuschlag genommen worden sei.

Der Vergabesenat entschied, dass die Antragstellerin durch den missverständlichen Hinweis des Auftraggebers in der Bieterantwort gegenüber den anderen Bietern benachteiligt wurde. Die falsche Annahme der Antragstellerin – für den Objektleiter gelte zwingend Tariflohn –sei durch die Beantwortung der Frage noch verstärkt worden. Daher liege ein Verstoß gegen das Gebot der Gleichbehandlung nach § 97 Abs. 2 GWB vor und das Verfahren sei zurückzuversetzen.

Praxishinweis

Der Fall weist die Besonderheit auf, dass die Bieterfrage nur gegenüber der Antragstellerin beantwortet wurde. Ähnliche Entscheidungen sollte daher die Ausnahme bilden. Er zeigt jedoch anschaulich die Schwächen und Grenzen des schriftlichen Informationsaustauschs auf. Um die Vorteile von Bieterfragen voll auszuschöpfen – schließlich stellen Sie ein probates Mittel zur Aufklärung von Unklarheiten dar – müssen Bieter und Auftraggeber auf eine präzise Formulierung von Fragen und Antworten achten. Als Auftraggeber empfiehlt es sich, grundsätzlich allen Bietern und nicht nur einem Bieter zu antworten.

Quelle:

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Beschluss
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