Was ist passiert?
Die Vergabestelle hat den Einbau eines Edelstahlbeckens im Zuge einer Schwimmbadsanierung im Offenen Verfahren europaweit ausgeschrieben. Das Angebot der Antragstellerin lag laut Submissionsprotokoll an erster Stelle. Die Vergabestelle schließt dann jedoch das Angebot der Antragstellerin von der Wertung aus, weil es Preise nicht enthalte. Auch sollen geforderte Erklärungen oder Nachweise weder im Angebot enthalten sein noch nach Aufforderung rechtzeitig vorgelegt worden sein.
Die Antragstellerin rügte den Ausschluss ihres Angebots und stellt Nachprüfungsantrag. Vorliegend sei die Eintragung bei lediglich sechs Positionen von insgesamt fast 120 Positionen strittig. Die Antragstellerin habe bei den betroffenen sechs Positionen jeweils als Einheitspreis einen Betrag von „0,00“ angegeben. Es seien keine Hauptpositionen betroffen.
Was wurde entschieden?
Der Nachprüfungsantrag ist zulässig und begründet. Die Vergabestelle hat das Angebot der Antragstellerin zu Unrecht ausgeschlossen. Die Vergabestelle muss die Angebotswertung unter Berücksichtigung des Angebots der Antragstellerin durchführen.
Dem Angebot der Antragstellerin hat ein Kurz-LV beigelegen. Dieses darf die Vergabestelle bei der Prüfung der Vollständigkeit der Angebote nicht unberücksichtigt lassen. Die Vergabestelle hatte in den Teilnahmebedingungen Kurzfassungen des Leistungsverzeichnisses zugelassen.
Nach obergerichtlicher Rechtsprechung ist die Angabe von „0,00“ € eine Preisangabe. Die Preisangaben fehlten daher nicht.
Sind für einen öffentlichen Auftraggeber Einzelpreiseintragungen nicht nachvollziehbar, darf er das Angebot nicht ohne weiteres ausschließen. Der Bieter muss die Widersprüche aufklären können. Auch ein Angebot mit einem unangemessen niedrigen Preis darf grundsätzlich nur dann ausgeschlossen werden, wenn zuvor vom Bieter in Textform Aufklärung über die Ermittlung der Preise verlangt worden ist.
Praxistipp
Der Bieter kann unwesentliche Positionen mit der Preisangabe „0,00 €“ angeben.
Zweifel bei Einzelpreiseintragungen soll der Bieter beseitigen können. Der öffentliche Auftraggeber soll in Textform Aufklärung über die Ermittlung der Preise verlangen. Das Ergebnis der Aufklärung ist im Vergabevermerk festzuhalten.
Nach § 16 a EU Abs. 2 VOB/A dürfen Angebote auch nicht ausgeschlossen werden, wenn in unwesentlichen Positionen Preisangaben ganz fehlen und die Wertungsreihenfolge dadurch nicht verändert wird. Der AG muss den Bieter auffordern, die fehlenden Preispositionen zu ergänzen.
Bieter können für die Angebotsabgaben eine Kurzfassung des Leistungsverzeichnisses benutzen, wenn sie den vom Auftraggeber verfassten Wortlaut des LV im Angebot als allein anerkennen (§ 13 EU Abs. 1 Nr. 6 VOB/A). Es sind aber die jeweiligen Teilnahmebedingungen zu beachten.
Stets hat der Bieter die Vorgaben der Vergabeunterlagen zu beachten.
Autor:
Rechtsanwalt Ronny Lohmann ist einer der Partner von Vergabekanzlei abante Rechtsanwälte Kins Lohmann PartG in Leipzig. Seit Jahr 2005 arbeitet er als selbstständiger Rechtsanwalt. Seine Tätigkeitsbereiche:
- Vergaberecht, projektbegleitende Rechtsberatung (Bau/Planung, ITK)
- Privates und öffentliches Baurecht
- Grundstückrecht / Leitungsrechte / Gestaltung /Grundbuchbereinigung
- Recht der Versorgungswirtschaft / Technischen Infrastruktur
- Breitband- und Telekommunikationsrecht, Vertragsrecht.
Weitere Informationen
Datum: 23.06.2020
Gericht: VK Nordbayern
Aktenzeichen: RMF-SG21-3194-5-11
Typ: Beschluss