Aktuelle Urteile

Bietergemeinschaften als „kreatives Wettbewerbsmittel“?

§ 7 EG Abs. 9 VOL/A bestimmt bzgl. des Nachweises der Eignung, dass sich ein Unternehmen, auch als Mitglied einer Bietergemeinschaft zum Nachweis der Leistungsfähigkeit und Fachkunde der Fähigkeiten anderer Unternehmen bedienen darf. Die Zulässigkeit von Bietergemeinschaft wird also vorausgesetzt.

In der Rechtsprechung hat das Thema „Bietergemeinschaft“ die vergaberechtlichen Nachprüfungsinstanzen, also die Vergabekammern und Vergabesenate der Oberlandesgerichte (OLG), zuletzt in verschiedenen Facetten beschäftigt. Die jeweiligen Sachverhalte vermitteln dabei den Eindruck, dass die Bildung einer Bietergemeinschaft durchaus als „kreatives wettbewerbliches Gestaltungsmittel“ wahrgenommen wird.

Grundsätzliches Verbot von Bietergemeinschaften?

So stellte etwa das OLG Düsseldorf in seiner Entscheidung vom 17. Februar 2014 (Az.: Verg 2/14), dass Unternehmen, die eine Bietergemeinschaft eingehen, eine Vereinbarung treffen, die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken kann und die deswegen verboten ist.
Dabei seien Bietergemeinschaften zwischen Unternehmen unterschiedlicher Branchen kartellrechtlich eher unbedenklich, weil diese zueinander regelmäßig in keinem aktuellen oder potenziellen Wettbewerbsverhältnis stehen.
Bietergemeinschaften zwischen branchenangehörigen Unternehmen sind wettbewerbsunschädlich, sofern die Beteiligten jeder für sich mit Blick auf Kapazitäten, Technik und/oder fachliche Kenntnisse nicht leistungsfähig sind und erst die Bietergemeinschaft sie in die Lage versetzt, sich zu beteiligen.

Noch extremer sah dies das Kammergericht (KG) Berlin an (Beschl. v. 24. Oktober 2013, Az.: Verg 11/13) und erhob quasi die Unzulässigkeit einer Bietergemeinschaft zum Grundsatz. Denn das Eingehen einer Bietergemeinschaft erfülle ohne Weiteres den Tatbestand einer Abrede bzw. Vereinbarung im Sinne von § 1 GWB. Das Ausnutzen von Synergiepotenzialen als Grund für das Eingehen einer Bietergemeinschaft lasse den Verstoß hiergegen auch nicht entfallen.

Bereits am 9. November 2011 (Az.: Verg 35/11) stellte das OLG Düsseldorf fest, dass die Gründung einer Bietergemeinschaft durch mehrere Bieter in der Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts zum Zweck einer Teilnahme an der Ausschreibung nicht wettbewerbswidrig ist, solange die Mitglieder nicht im Wettbewerb stehen. Nur ausnahmsweise werden auch Bietergemeinschaften zwischen gleichartigen Unternehmen für wettbewerbsunschädlich gehalten, sofern – objektiv – die beteiligten Unternehmen ein jedes für sich zu einer Teilnahme an der Ausschreibung mit einem eigenständigen Angebot aufgrund ihrer betrieblichen oder geschäftlichen Verhältnisse nicht leistungsfähig sind, und erst der Zusammenschluss zu einer Bietergemeinschaft sie in die Lage versetzt, sich daran zu beteiligen.

In Anbetracht der Regelung der Vergabe- und Vertragsordnung erscheint jedenfalls der Beschluss des KG als ebenso überzogen wie mittelstandsfeindlich.

„Bäumchen wechsle Dich“ contra Loslimitierung

Kreativ zum Einsatz brachten zwei Unternehmen das Mittel der Bietergemeinschaft in einer Ausschreibung in zwei Losen, bei welcher der öffentliche Auftraggeber eine Loslimitierung dergestalt vorgesehen hatte, dass eine Gesamtvergabe beider Lose an einen Bieter ausgeschlossen wurde.

Daraufhin bewarben sich zwei Unternehmen als „Bietergemeinschaft A“ auf Los 1 und als „Bietergemeinschaft B“ – also lediglich mit unterschiedlicher Bezeichnung/Firma – auf Los 2, um im Ergebnis (doch) beide Lose gemeinsam beauftragt zu bekommen.

Dieses – zugegeben kreative – Vorgehen sah das KG Berlin in seiner Entscheidung vom 24. Oktober 2013 (Az.: Verg 11/13) jedoch als unzulässige Umgehung der Loslimitierung an, da im Fall der Zuschlagerteilung zu Gunsten der Bietergemeinschaften sowohl hinsichtlich des Loses 1 als auch hinsichtlich des Loses 2, der Zweck der losweisen Vergabe vereitelt würde. Denn dann würde doch ein und dasselbe Unternehmen in beiden Leistungsbereichen tätig. Daran ändere auch der Umstand nichts, dass vertrags- und gesellschaftsrechtlich gesehen, nicht diese beiden Unternehmer Auftragnehmer wären, sondern nur die betreffende Bietergemeinschaft.

Fazit

Mit der Bildung von Bietergemeinschaften wie auch dem Einsatz von Nachunternehmern eröffnet das Vergaberecht – ganz im Sinne der Berücksichtigung mittelständischer Interessen (vgl. § 97 Abs. 3 Satz 1 GWB – den Wirtschaftsteilnehmern vielgestaltige Möglichkeiten, sich am Wettbewerb um – auch komplexe – öffentliche Aufträge zu beteiligen. Trotz aller Kreativität und Findigkeit der Vertriebsbeauftragten bzw. Angebotsverantwortlichen, sollte man als Unternehmen jedoch trotzdem die Grenzen des rechtlich Möglichen nicht aus den Augen verlieren.

Daher: Im Zweifel lieber nochmal nachfragen. Und bitte nicht vergessen: Auch Freiberufler sind Dritte im Sinne der Nachunternehmerschaft und von Bietergemeinschaften.

Weitere Informationen


Datum: 17.06.2019
Typ: Urteil
Wissen

Diese Urteile könnten Sie auch interessieren

18.11.2024 | Urteil

Wie weit darf man dem Leistungsversprechen des Bieters vertrauen?

Wie weit dürfen öffentliche Auftraggeber Bieter-Versprechen vertrauen? Der Fall zeigt, warum konkrete Prüfung der Leistungsfähigkeit entscheidend ist.
Mehr erfahren
16.10.2024 | Urteil

Vorauftrag mangelhaft ausgeführt: Voraussetzungen für einen Ausschluss?

Unternehmen können wegen mangelhafter Leistungserfüllung von Vergabeverfahren ausgeschlossen werden. Erfahren Sie mehr über die rechtlichen Grundlagen und Konsequenzen.
Mehr erfahren
16.09.2024 | Urteil

Sind fehlerhafte unternehmensbezogene Unterlagen nachzufordern?

Bleiben Sie auch bei unternehmensbezogenen Unterlagen wachsam und vertrauen Sie nicht zu voreilig auf das Mittel der Nachforderung. Lesen Sie, wie sie Vergabeausschlüsse vermeiden.
Mehr erfahren
21.08.2024 | Urteil

Auch rügen will gelernt sein – Was ist zu beachten?

Fax-Rügen: So sichern Sie Ihren Erfolg im Vergabeverfahren. Erfahren Sie, warum Unterschriften und Zeitpunkte entscheidend sind. Frühzeitig handeln!
Mehr erfahren
21.08.2024 | Urteil

Bieter gewinnen: Gericht lockert überzogene Anforderungen im Museumsprojekt

BayObLG kippt unfaire Eignungskriterien bei Museumsprojekt – Entdecken Sie, wie das Urteil zugunsten der Bieter fiel und was das für zukünftige Ausschreibungen bedeutet.
Mehr erfahren
19.06.2024 | Urteil

Andere Eintragung des Umsatzsteuersatzes – Änderung der Vergabeunterlagen?

Bleiben Sie wettbewerbsfähig! Lernen Sie, wie Sie den Umsatzsteuersatz in Ihren Angeboten korrekt anpassen und Vergabeausschlüsse vermeiden.
Mehr erfahren
21.05.2024 | Urteil

Eignungsprüfung natürlich auch bei präqualifizierten Unternehmen

Steigern Sie Ihre Erfolgsquote bei öffentlichen Ausschreibungen: Wichtige Einsichten in die Anforderungen an Referenzen und die Bedeutung der Präqualifikation.
Mehr erfahren
17.04.2024 | Urteil

Anfragen an abgefragte Referenzen sind zu wahren

Das OLG Frankfurt beschäftigte sich mit der Frage, welche Referenzangaben der öffentliche Auftraggeber hinsichtlich der Leistungszeit und des Leistungsortes verlangen kann.
Mehr erfahren
21.03.2024 | Urteil

Formblatt ausfüllen nicht vergessen!

Die VK Bund beschäftigte sich (erneut) mit dem Thema „nicht korrekt ausgefülltes Formblatt“. Dieses Mal mit Formblatt 223 (Aufgliederung von Einheitspreisen), welches erst auf Nachfrage der Vergabeste
Mehr erfahren
18.02.2024 | Urteil

Preiswertung darf nicht verzerren!

Analyse der Vergabekammer-Entscheidung zu Preiswertungsmethoden: Rechtliche Einsichten und Auswirkungen auf das Preis-Leistungs-Verhältnis
Mehr erfahren
Zum Wissensbereich