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Vergaberecht, aktuelle Urteile

Aufhebung wegen Coronavirus

Die Vergabekammer des Bundes äußert sich zu Aufhebungen wegen des „Coronavirus“.

Was ist passiert?

Ein öffentlicher Auftraggeber schrieb mit Auftragsbekanntmachung vom 17. Januar 2020 die Erbringung Ausbildungsmaßnahmen für junge Menschen mit Defiziten europaweit im offenen Verfahren aus. In der Folge hob der öffentliche Auftraggeber – nach bereits erfolgter Mitteilung nach § 134 Abs. 1 GWB – das Vergabeverfahren wegen wesentlicher Änderung der Grundlage des Verfahrens nach § 63 Abs. 1 Nr. 2 VgV auf. In der Aufhebungsmitteilung nach § 63 Abs. 2 VgV führte der öffentliche Auftraggeber aus, dass „die Ausbreitung des Coronavirus und die damit verbundene Epedemie […] ein nicht vorhersehbares Ereignis [sei], welches die Bedingungen am Arbeitsmarkt erheblich verändern [werde]“. Inwieweit die ausgeschriebenen Leistungen dann überhaupt noch benötigt würden, sei derzeit nicht planbar.

Nach erfolgloser Rüge gegen die Aufhebungsentscheidung stellte der Bestbieter einen Nachprüfungsantrag und beantragte die Aufhebung der Aufhebung und hilfsweise die Feststellung deren Rechtswidrigkeit.


Entscheidung der Vergabekammer

Die Vergabekammer gab dem Nachprüfungsantrag nicht statt. Die Aufhebung der Aufhebung kommt nur ausnahmsweise bei willkürlichen Entscheidungen oder Aufhebungen zum Schein in Betracht. Der Grundsatz der Privatautonomie führt dazu, dass der öffentliche Auftraggeber trotz Einleitung eines Vergabeverfahrens grundsätzlich nicht gezwungen ist, einen Vertragsschluss (Zuschlag) herbeizuführen. Da die Corona-Pandemie einen sachlichen Grund darstellte, lagen diese gesteigerten Anforderungen nicht vor.

Für eine rechtmäßige Aufhebung muss eine wesentliche Änderung in zeitlicher und sachlicher Hinsicht vorliegen und unvorhersehbar sein. Die zeitliche Komponente lag vor, weil sich die Änderungen erst nach der Auftragsbekanntmachung vom 17. Januar 2020 ergaben. Die Corona-Pandemie war ab Januar 2020 ein für den Auftraggeber unvorhersehbares Ereignis. Wesentlich ist eine Änderung insbesondere, wenn die Durchführung des Vergabeverfahrens für den Auftraggeber mit unzumutbaren oder nicht mehr auffangbaren Bedingungen verbunden wäre. Der Auftraggeber konnte darlegen, dass die geplanten Maßnahmen für ohnehin bereits schwer vermittelbare Arbeitnehmer auf dem derzeitigen Arbeitsmarkt wenig erfolgsversprechend wären und zudem durch die Pandemie die zeitgerechte Betreuung und Beratung von Teilnehmern der Maßnahmen deutlich erschwert gewesen wäre. Insbesondere hierin sah die Vergabekammer einen derart geänderten Bedarf, der eine neue Bestandsaufnahme des öffentlichen Auftraggebers und folglich eine Aufhebung rechtfertigte.


Praxistipp

Bei Aufhebungen in Folge des Coronavirus ist dennoch Vorsicht geboten. Bereits in zeitlicher Hinsicht dürfte bei vielen der aktuellen Ausschreibungen bereits fraglich sein, ob eine Änderung noch vorliegt bzw. unvorhersehbar war, da die Pandemie seit Anfang März andauert. Zudem konnte der öffentliche Auftraggeber bei dem konkreten, sehr spezifischen Leistungsgegenstand auch ausführlich darlegen, weshalb die Leistungen nicht mehr sinnvoll sind und ein veränderter Bedarf vorliegt. Dies dürfte in vielen Fällen anders zu beurteilen sein.

Quelle:

Autor: Menold Bezler Rechtsanwälte Steuerberater Wirtschaftsprüfer Partnerschaft mbB

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