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Vergaberecht, aktuelle Urteile

Für Rahmenverträge gilt für die Auftragswertschätzung das Prinzip der Gesamtvergütung gemäß § 3 Abs. 1 VgV sowie eine funktionale Betrachtungsweise

Bei Abschluss einer Rahmenvereinbarung ist zunächst der geschätzte Gesamtauftragswert aller Einzelaufträge zu berechnen, die während der Gesamtlaufzeit der Rahmenvereinbarung geplant sind.

Der Auftraggeber hat außerdem das Auftragsvolumen für sämtliche Gebietslose desselben Gewerks hinzuzurechnen.  

Was ist passiert? 

Der Auftraggeber schrieb für Instandsetzungsmaßnahmen seiner Liegenschaften für 11 Gewerke, aufgeteilt auf 72 Gebietslose, Rahmenvereinbarungen national aus. Der geschätzte Auftragswert lag insgesamt über dem Schwellenwert für europaweite Vergaben. Da aber eine Loslimitierung auf 5 Lose vorgesehen war, schrieb der Auftraggeber national aus. Für jedes Gewerk erfolgte eine separate Bekanntmachung.  

Ein Bieter rügte Wertungsfehler und stellte Nachprüfungsantrag. Die VK gab dem Antrag teilweise statt. Gegen den Beschluss legte der Auftraggeber  sofortige Beschwerde ein, mit dem Ziel, dass das Nachprüfungsverfahren wegen Unterschreitung der EU-Schwellenwerte für unzulässig erklärt wird.

Was wurde entschieden? 

Das OLG wies die sofortige Beschwerde als unbegründet zurück, da der EU-Schwellenwert überschritten sei. Maßgeblich für den Auftragswert sei, ob die Leistungen aller Gebietslose eines Gewerkes, hier also alle Maler- und Tapezierarbeiten, technisch und wirtschaftlich einen einheitlichen Charakter aufweisen.  

Davon sei auszugehen, da die Ausschreibung in einer einzigen Bekanntmachung erfolgte und der Auftraggeber für alle Gebietslose einheitliche Vergabe- und Vertragsbedingungen sowie dieselbe Leistungsbeschreibung verwendet hatte.  

Dem Auftraggeber kam es bei der Beschaffung darauf an, den Sanierungsbedarf aller seiner Liegenschaften zeitnah über einen längeren Zeitraum zu decken. Andernfalls hätte es vieler Einzelausschreibungen bedurft. Mit Blick auf das eigentliche Leistungsziel des Auftraggeber müssen auch sämtliche Auftragswerte für die Lose dieses Gewerkes unabhängig vom Leistungsort berücksichtigt werden. Die räumliche Entfernung spielt dann keine Rolle. Auch die Angebotslimitierung ist dann unerheblich. 

In einem obiter dictum erwähnte das OLG zudem, dass vieles dafür spräche, auch alle Lose der anderen Gewerke zu addieren. Maßgeblich dafür könnte wiederum das einheitliche Leistungsziel des Auftraggeber sein. 

Praxistipp 

Für die Vergabe von Rahmenvereinbarungen gelten grundsätzlich dieselben Vorschriften wie für die Vergabe entsprechender öffentlicher Aufträge (Art. 33 Abs. 1 UAbs. 1 der Richtlinie 2024/14/EU, § 103 Abs. 5 S. 2 GWB). Insbesondere wird der in § 3 Abs. 1 S. 1 VgV niedergelegte Grundsatz nicht durch § 3 Abs. 4 VgV eingeschränkt.  

Der Auftragswert ist in jedem Fall mit größter Sorgfalt zu schätzen. Dabei ist stets das eigentliche Beschaffungsziel zu berücksichtigen. Dieses hilft bei der Ermittlung, ob zwischen verschiedenen Leistungen ein „funktionaler Zusammenhang“ besteht. 

Beachte: Für die hier beschaffungsgegenständlichen Bauleistungen ist maßgeblich der Begriff „beabsichtigte Bauvorhaben“, vgl. § 3 Abs. 7 S. 1 VgV). Dann gilt: Was darunter fällt, wird addiert. Insoweit ist die Entscheidung nicht überraschend. 

Schwieriger ist es bei Dienstleistungsaufträgen. Zum Beispiel bei Konzeption und Gestaltung einer Museumsausstellung, bei der noch diverse Lieferleistungen erbracht werden. 

Autor:

Rechtsanwalt Ronny Lohmann ist einer der Partner von Vergabekanzlei abante Rechtsanwälte Kins Lohmann PartG mbB in Leipzig. Seit Jahr 2005 arbeitet er als selbständiger Rechtsanwalt. Seine Tätigkeitsbereiche:

  • Vergaberecht, projektbegleitende Rechtsberatung (Bau/Planung, ITK)
  • Privates und öffentliches Baurecht
  • Grundstücksrecht / Leitungsrechte / Gestattung / Grundbuchbereinigung
  • Recht der Versorgungswirtschaft / technischen Infrastruktur/
  • Breitband- und Telekommunikationsrecht, Vertragsrecht.  

Quelle:

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Beschluss
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